Leitfaden Torwarttraining
– Ein exemplarischer Leitfaden –
von Markus Gaupp
4. SOZIALVERHALTEN
Innerhalb der Torhütergruppe wird auch das Gruppenverhalten geschult. Sich in der Gruppe unter- und einordnen, den Schwächeren zu akzeptieren, aber auch mit eigenen Fehlern offen umzugehen sind nur einige exemplarische Beispiele…
Das Torwarttraining in der 1. FSRN geht über die Dauer von zwanzig Trainingsstunden.
Innerhalb dieser zwanzig Trainingsstunden werden mit jedem Torhüter fünf wesentliche torwartspezifische Schwerpunkte trainiert:
- Grundlagentechniken
- Anschlussaktionen
- Taktisches Verhalten
- Gelenkigkeit, Geschmeidigkeit
- Koordination
Es wäre nun ein Leichtes, die zwanzig Trainingsstunden in fünf Blöcke á vier Wochen aufzuteilen und so jeden der fünf Schwerpunkte genau vier Wochen zu trainieren.
Einen exakten „Stundenplan“ vorzugeben wäre das Einfachste.
Dem steht aber entgegen, dass dadurch schnell Langweile und Eintönigkeit im Training entsteht. Zudem würde man durch starre Vorgaben dem Training die Flexibilität und Individualität nehmen.
Vier Wochen ausschließlich Koordination oder vier Wochen nur Anschlussaktionen?
Alle oben genannten Schwerpunkte sind ineinander verwoben, miteinander verbunden.
Sie lassen sich zwar einzeln benennen, anfangs auch einzeln trainieren, (Übungsformen, Übungsreihen) müssen aber sehr schnell in einen Gesamtzusammenhang (Spielformen, Spielreihen) gebracht werden.
BEISPIEL TORSCHUSS:
Torschuss – Ball fangen – Ball wieder ins Spiel bringen.
Dies ist EINE Spielsituation die sich aber aus einer Vielzahl von Einzelaktionen des Torhüters zusammensetzt:
- Dirigieren der Hintermannschaft (Organisieren, taktisches Verständnis, Sozialverhalten)
- Ständiges verändern der Position (Stellungsspiel, , taktisches Verständnis)
- Reaktion beim Torschuss (taktisches Verständnis, Technik)
- Fangen des Balles (Technik), oder doch Fausten? (Technik / Taktik)
- Anschlussaktion: Abwurf, Abschlag … (Technik, taktisches Verständnis)
- Dirigieren der Hintermannschaft (Organisieren, taktisches Verständnis, Sozialverhalten).
Spätestens hier wird wohl jedermann ersichtlich, dass das Torwartspiel ein sehr spezielles Spiel ist, das sich immer wieder wechselnden Situationen anpassen muss.
Der Torhüter muss ständig neue Spielsituationen erkennen und sofort die entsprechenden Torwartentscheidungen (Taktik) treffen.
Anhand des „Beispiels TORSCHUSS“ wird auch klar, dass innerhalb einer Trainingsgruppe von mehreren Torhütern zwangsweise verschiedene individuelle Probleme und Fehlerquellen entstehen:
Der eine Torhüter hat Hemmungen beim Dirigieren, der nächste hat ein falsches Stellungsspiel oder reagiert immer zu früh, einem anderen fällt der Ball ständig aus den Händen und das Thema Abwurf und Abschlag ist sowieso ein sehr weites Feld…
Das heißt also, dass man bei einer so „gewöhnlichen“ Übung wie dem Torschuss innerhalb einer Trainingsgruppe selbstverständlich verschiedene Schwerpunkte setzen kann, ja muss – je nach dem, welcher Torhüter gerade im Tor steht.
Außerdem hat nicht jeder Torhüter jeden Tag dieselben Stärken oder Schwächen. Die Stärken von heute sind morgen eine Schwäche und umgekehrt…
Das wiederum bedeutet, dass man sich in der täglichen Praxis auf den Fußballplätzen der Fußballschule immer wieder auf die individuellen Probleme, Stärken und Schwächen der Torhüter einzustellen hat.
Ein Training streng nach „Checkliste“ ist daher gerade bei Kindern und Jugendlichen nicht angebracht, würde eher nach Alibiverhalten klingen – Motto: „Steht auf dem Stundenplan, haben wir trainiert…
Die Kinder und Jugendlichen lernen zwar zwischen dem zehnten und zwölften Lebensjahr besonders schnell und leicht, sind aber in der Gruppe dennoch unterschiedlich zu behandeln, da eben gerade doch Unterschiede in der Lerngeschwindigkeit, Auffassungsgabe und Sozialverhalten bestehen.
Genau hierauf wird bei der 1. FSRN besonders Rücksicht genommen.
Tatsache ist, dass Toleranz gegenüber vermeidlich Schwächeren innerhalb in einer Gruppe ein wichtiger Bestandteil derFußballschulen-Philosophie ist.
Die Grenzen der Toleranz sind hierbei klar durch die Gruppe selbst vorgegeben.
Die Gruppe und somit jeder einzelne innerhalb der Gruppe muss sich weiterentwickeln und darf nicht durch andere auf Dauer daran gehindert werden.
Es kann aber auch nicht sein, dass Torwarttraining zum allgemeinen Wunschkonzert der Torhüter oder Eltern ausufert.
Daher muss im Training selbst, aber auch von Trainingseinheit zu Trainingseinheit ein sog. „Roter Faden“ zu erkennen sein.
Dieser „Rote Faden“ sind zunächst einmal ganz einfach die Grundtechniken des Torwartspiels.
BEISPIEL FANGEN DES BALLES
Die erste und wichtigste Grundtechnik des Torwartspiels ist das Fangen des Balles.
Und hier werden drei verschiedene Situationen unterschieden:
- Flache Bälle
- Halbhohe Bälle
- Hohe Bälle
Jede dieser Situation wird aufgegliedert in:
- Bälle auf den Körper,
- Bälle linke Seite,
- Bälle rechte Seite.
Voraussetzung für das Fangen eines flachen Balles ist jedoch das richtige Fallen.
Ein koordinativ sehr anspruchsvoller Bewegungsablauf der nur dann Spaß macht, wenn er geschmeidig ausgeführt wird. Sonst verursacht das Fallen nur Schmerzen und der Torwart hat Angst davor. Hier lässt sich vorhersagen, dass innerhalb einer Gruppe der eine Torhüter geschmeidig wie eine Katze fällt und nahezu jeden Ball festhält, der andere aber schon beim Gedanken an das Hinfallen seine Probleme hat…
Und hier liegen die Stärken und Vorteile der 1. FSRN:
Innerhalb einer Trainingsstunde ja innerhalb einer Übung kann und wird individuell auf den jeweiligen Torhüter eingegangen.
Das heißt aber auch, dass vorgesehene Übungen individuell umgestellt werden, bzw. der Gruppe angepasstwerden.
Die Gruppe selbst bestimmt hier die Dauer und Wiederholung der jeweiligen Übung.
Auch kommt es vor, dass eine Gruppe eine Übung sofort beherrscht, eine andere Gruppe sich mit der selben Übung zwei oder drei Trainingsstunden beschäftigen muss.
Beherrscht ein Torhüter einen Teilaspekt einer Übung, die einfache Übungsform, so schließt sich für ihn sofort der nächste Aspekt an (flachen Ball fangen, richtig aufstehen, Abschlag in ein Zieltor), es entsteht eine Übungsreihe.
Und so wird für jeden Torhüter im Laufe der Zeit ein Gesamtzusammenhang „Torwartspiel“ hergestellt (bis hin zur Spielform und –reihe).
Unabdingbare Voraussetzung hierfür ist und bleibt jedoch, dass der Torhüter die Grundtechniken des Torwartspiels beherrscht.
Im Weiteren möchte ich einen kurzen exemplarischen Überblick über das Torwarttraining in der 1.FSRN (Leitfaden) geben.
L E I T F A D E N T O R W A R T T R A I N I N G
I. Techniken
Die Grundtechniken des Torwartspiels lassen sich folgendermaßen aufteilen:
Ohne Ball
* Grundstellung
* Springen, Laufen
* Fallen – seitlich, nach vorne
* Hechten – seitlich, nach vorne
* Fliegen – seitlich, nach vorne
* Aufstehen
* etc., etc. …
Mit Ball
1. in der Defensive ( = Verteidigung )
* Ballaufnehmen – im Stehen, im Laufen, auf den Mann, seitlich
* Fangen – flach, halbhoch, Kopfhöhe, über Kopfhöhe, auf den Mann, seitlich
* Ablenken
* Fausten – einhändig, zweihändig
* mit den Füßen – Fußabwehr, Ballan- und -mitnahme, Befreiungsschlag
* Köpfen
* Ballannahme mit dem Körper (Bauch, Brust …)
* etc., etc. … ALLES ZUERST OHNE, DANN MIT „GEGENSPIELER“.
2. in der Offensive ( Angriff )
* Abwerfen
* Abrollen
* Abschlag – Drop, Volley
* Abstoß
* direktes Zuspielen – Flachpass, Flugball
* Schießen
* Köpfen
* etc., etc. … ALLES ZUERST OHNE, DANN MIT „GEGENSPIELER“.
Aus dem Techniktraining erwächst im Laufe der Zeit automatisch ein kombiniertes Technik/Taktiktraining:
II. Technik / Taktik
* Stellungsspiel im Strafraum
* 1:1 – Situation
* Fangen, oder Fausten?
* Fallen, oder Stehen bleiben?
* Bleib auf der Linie, oder geh’ auf den Ball???
* Wenn ich ihn (fest-) gehalten habe: Wohin mit dem Ball? – Und wie?
* Schnell, oder langsam?
* Freistöße
* Eckbälle
* Flanken
* etc., etc. …
Durch die Vielzahl von Erfolgserlebnissen im Technik- und Taktiktraining wächst ständig das Selbstvertrauen der jungen Torhüterinnen und Torhüter.
III. Selbstvertrauen
* Der/die Torhüter/in ist der wichtigste Mann/Frau auf dem Platz!
* Keine Angst vor Fehlern!
* Nach Fehlern geht es immer wieder weiter.
* Wer den Ball hat, ist der Chef.
* Ich will den Ball! etc., etc. …
UND DAS ALLES IN SPIELEN UND SPIELFORMEN IMMER WIEDER ANWENDEN, ÜBEN, AUSPROBIEREN.
* Lachen, Erzählen, Freuen, Anfeuern, Spaß haben, etc., etc. …
Ich freue mich auf alle Interessierten und verbleibe mit sportlichen Grüßen,
Euer Markus Gaupp